- Medizinnobelpreis 1952: Selman Abraham Waksman
- Medizinnobelpreis 1952: Selman Abraham WaksmanWaksman erhielt den Nobelpreis für die Entdeckung des Streptomycins, des ersten Antibiotikums gegen die Tuberkulose.Selman Abraham Waksman, * Priluka (Ukraine) 22. 7. 1888, ✝ Hyannis (Massachusetts) 16. 8. 1973; ab 1915 bis zu seiner Pensionierung 1958 am Rutgers College of Agriculture, ab 1949 Direktor des Rutgers Institute of Microbiology, beschäftigte sich mit der Mikrobiologie des Bodens und untersuchte Umweltmikroorganismen auf wirksame Substanzen gegen Krankheitserreger.Würdigung der preisgekrönten LeistungSelman Abraham Waksman wuchs als Kind einer jüdischen Familie in der Nähe von Kiew, auf. Schon früh lernte er die Diskriminierungen von Juden im zaristischen Russland kennen. Obwohl er am Gymnasium von Odessa die Aufnahmeprüfung für die Universität bestand, entschied er sich auf Anraten von Verwandten, in die USA auszuwandern. Er schrieb sich am Rutgers College of Agriculture in New Jersey ein, an dem er später auch arbeitete. 1916 heiratete Waksman seine Jugendliebe Bertha Deborah Mitnik, die ebenfalls aus Priluka emigriert war, und wurde im gleichen Jahr amerikanischer Staatsbürger. Bald bekam das Paar Nachwuchs, Waksmans Gehalt an der Rutgers University reichte jedoch zunächst nicht für den Unterhalt der Familie, sodass er nebenberuflich noch in einem anderen Labor arbeiten musste. Aufgrund von Sparmaßnahmen erwog das Rutgers College zeitweilig sogar Waksmans Entlassung. Wenige Jahre später verdienten der Wissenschaftler und das College jedoch Millionen an dem Patent für Streptomycin.Die Entdeckung antibakterieller SubstanzenDie Entdeckung des Streptomycins als wirksames Antibiotikum geschah nicht zufällig, sondern war das Ergebnis jahrzehntelanger wissenschaftlicher Arbeit. Waksman befasste sich zunächst mit chemischen und biologischen Prozessen im Boden. Er sammelte Erdproben aus verschiedenen Tiefen und kultivierte die daraus isolierten Mikroorganismen in Nährmedien. Er fand verschiedenste Kolonien, unter anderem die Actinomyceten, eine bis dahin noch recht unbekannte Bakterienart. Nach einem kurzem Aufenthalt an der University of California befasste sich Waksman weiter mit im Boden vorkommenden Bakterien und widmete mehrere Jahre der Erforschung organischer Zersetzungsprozesse und der Humusentstehung. Er konnte nachweisen, dass Humus das Resultat mikrobieller Abbauprozesse ist, bei denen auch die wichtigsten Nährstoffe gebildet werden, die den Boden fruchtbar machen. Für über zwei Jahrzehnte war die mikrobielle Population des Bodens Waksmans Forschungsgebiet. Während des Zweiten Weltkriegs entwickelte Waksman Mittel, um Kriegsgerät und Kleidung im feuchten Klima der Tropen vor Pilzbefall und Zersetzung zu bewahren. Sein Hauptinteresse galt seit 1939 jedoch der Entwicklung von Antibiotika.Schon im späten 19. Jahrhundert befassten sich Biologen mit Mikroben, die Substanzen bilden können, um andere Mikroben abzutöten. Man wusste, dass Krankheiten erregende (pathogene) Keime vernichtet werden, wenn sie in den Erdboden eingebracht werden, offensichtlich von dort ansässigen Mikroben. Erst sehr viel später wurde an diese Forschungsergebnisse angeknüpft: Der Franzose René Dubos, der bei Waksman promoviert hatte, griff diese Idee auf und suchte nach Bakterien, die die Kohlenhydrathülle von Pneumokokken, den Erregern der Lungenentzündung, zerstören konnten, sodass das Immunsystem gegen die Krankheitserreger vorgehen kann. 1939 gab er bekannt, dass er zwei antibakterielle Substanzen aus Bacillus brevis isoliert hatte, die wirksam gegen Pneumokokken waren. Dies bedeutete einen völlig neuen Ansatz der Pharmakotherapie, da diese Antibiotika — anders als die bis dahin bekannten Chemotherapeutika — zum ersten Mal hochspezifisch gegen die pathogenen Keime wirkten und keine gravierenden Nebenwirkungen an den Körperzellen aufwiesen. Waksman selbst entwickelte nun eine Methode, um tausende von Bodenbakterien auf antibakterielle Wirksamkeit hin zu testen. Wenige Jahre später isolierte er Actinomycin, das mehrere Unterformen aufwies. 1953 wurde von Gerhard Domagk (Nobelpreis 1939) Actinomycin C beschrieben. Es erwies sich als wirkungsvoll in der Behandlung von Tumoren des Immunsystems wie Lymphomen und der Hodgkin-Krankheit. Ein Jahr später isolierte Waksman Actinomycin D, das als Wachstumshemmer bei Wilmstumoren, einem besonders bösartigen Nierentumor bei Kindern, eingesetzt wird. Eine weitere Suche im Labor von Waksman führte zur Isolierung einer antibiotisch wirksamen Substanz, die Waksman später Streptomycin nannte. In Laborkulturen zeigte sich, dass Streptomycin wirksam gegen den Erreger der Tuberkulose ist. Bald danach wurde Streptomycin in der Mayo-Klinik in Minnesota erfolgreich an Meerschweinchen getestet — Waksmans Labor war zu klein, um Tierversuche durchzuführen. Internisten der Mayo-Klinik setzten Streptomycin daraufhin bei Patienten mit schwerer Tuberkulose ein und erzielten atemberaubende Heilerfolge.Das erste Antibiotikum gegen TuberkuloseStreptomycin war das erste Mittel, das im Kampf gegen Tuberkulose zur Verfügung stand. Es erwies sich als besonders wirksam bei fortgeschrittenen Formen der Tuberkulose von inneren Organen. Zu Beginn der Untersuchungen an Bodenbakterien hatte Waksman einen Vertrag mit der Firma Merck geschlossen, der alle Patentrechte über zu entdeckende Antibiotika an das Unternehmen Merck übertrug. Angesichts der immensen Bedeutung des Streptomycins erreichte Waksman jedoch, dass Merck großzügigerweise die Patentrechte an ihn und das Rutgers College zurückgab, sodass viele Unternehmen das neue Antibiotikum herstellen konnten. Waksman musste später seinen Anteil an den Lizenzgebühren mit den anderen Mitarbeitern seines Labors teilen, die ebenfalls an der Entdeckung des Streptomycins beteiligt gewesen waren. Die Rutgers University und Waksman investierten den Großteil der Gelder aus den Lizenzvergaben in den Aufbau eines mikrobiologischen Instituts, dessen Direktor Waksman wurde. In der Folgezeit widmete sich Waksman weiter der Suche nach antibiotisch wirksamen Substanzen, der Charakterisierung von Mikroorganismen in Boden und Meer sowie der Lehre. Er veröffentlichte über 500 wissenschaftliche Artikel und 28 Bücher. Er wurde mit Ehrentiteln und Preisen überhäuft, immer wieder erreichten ihn Dankschreiben von Tuberkulosepatienten, die erfolgreich mit Streptomycin behandelt wurden.Obwohl heute andere zusätzliche antituberkulotisch wirksame Antibiotika zur Verfügung stehen, ist Tuberkulose immer noch eine der gefährlichsten Infektionskrankheiten weltweit. Neue Krankheitserreger, Resistenzentwicklungen durch unüberlegten Einsatz und eine Verharmlosung der Infektionskrankheiten haben dazu beigetragen, dass die Suche nach wirksamen Antibiotika heute noch genauso wichtig ist wie zu Waksmans Zeiten.T. Ulrichs
Universal-Lexikon. 2012.